Aktuelles
Am 23. Juni 2016 haben sich die Briten für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, den “Brexit”, ausgesprochen. Diese Entscheidung wird nicht nur für Großbritannien sondern auch den Rest der EU weitreichende Folgen haben. Eines der Probleme, die es zu lösen gilt, ist der Umgang mit britischen Gesellschaftsformen – insbesondere der weit verbreiteten Ltd.. So besteht nach gefestigter Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) die Möglichkeit eine Kapitalgesellschaft innerhalb der EU zu gründen und dann die gesamte Geschäftstätigkeit über eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat der EU zu entfalten (vgl. EuGH, Urt. v. 9. 3. 1999, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1459 – Centros; EuGH, Urt. v. 5. 11. 2002, Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-9919 – Überseering; EuGH, Urt. v. 30. 9. 2003, Rs. C-167/01, Slg. 2003, I-10155 – Inspire Art.).
Diese Rechtsprechung hatte nicht zuletzt eine hohe Teilnahme englischer Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sog. “Ltd. am deutschen Rechtsverkehr zur Folge. Deren Gründungsaufwand ist insbesondere im Hinblick auf die Aufbringung des Stammkapitals von lediglich einem 1 £ im Vergleich zu 25.000 € bei der GmbH deutlich attraktiver.
Sofern die Entscheidung der Briten gegen die Mitgliedschaft in der EU den Wegfall der Niederlassungsfreiheit zur Folge hat, wofür die derzeitige Haltung der verbliebenen Mitgliedsstaaten spricht, wird die Ltd. zukünftig in Deutschland nicht mehr als ausländische Rechtsform anerkannt werden. Für alle diejenigen, die nach wie vor unter der Rechtsform der Ltd. tätig sind, kann dies zur Folge haben, dass ihr gewerbliches Handeln künftig unter der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder als Einzelkaufmann erfolgt. Somit fällt das Haftungsprivileg der Ltd. weg und die Gesellschafter würden persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften.
Dies ist bei der Ltd. bereits derzeit in einigen Fallkonstellationen gängige Praxis. Wird eine Ltd. beispielsweise vom companies house – dem englischen Pendant zum Handelsregister – aus irgendeinem Grund gelöscht haften die Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich nach Maßgabe der Vorschriften über die offene Handelsgesellschaft (vgl. Urteil des OLG Hamm vom 11. April 2014 / Az.: I-12 U 142/13).
Vor dem Hintergrund ist es empfehlenswert, sich frühzeitig beraten zu lassen, wie dieses Risiko durch Überführung der Ltd. in eine andere Rechtsform vermieden werden kann. Insbesondere ist zu beachten, dass durch den Brexit auch die europarechtlichen Instrumente nicht mehr gelten, die zurzeit noch eine grenzüberschreitende Verschmelzung einer Ltd. auf eine GmbH oder einen grenzüberschreitenden Formwechsel einer Ltd. in eine GmbH ermöglichen. Spätestens dann bliebe nur noch die Neugründung unter Einbringung des bisherigen Betriebs als Sacheinlage, was jedoch eine Liquidationsbesteuerung unter Aufdeckung stiller Reserven zur Folge hätte.
Für deutsche Unternehmen, die Geschäfte mit Ltd. machen, die von der o.g. Problematik betroffen sind, können sich jedoch auch Vorteile ergeben. So gewinnen sie ggf. weitere Schuldner – nämlich die persönlich unbeschränkt haftenden Gesellschafter – hinzu.